Der Fachkräftemangel entwickelt sich zu einem immer dringlicheren Problem für die deutsche Wirtschaft. Ende 2022 berichteten 53 Prozent aller deutschen Unternehmen, dass sie vakante Stellen längerfristig nicht besetzen können, weil keine geeigneten Bewerber:innen und Arbeitskräfte gefunden werden. Dies geht aus dem jüngsten Fachkräftereport der Deutschen Industrie- und Handelskammer hervor. Die Folgen dieser Entwicklung sind für die Betriebe höchst problematisch: Neben einer Mehrbelastung der Belegschaft und steigenden Arbeitskosten rechnen die Unternehmen mit einer zunehmenden Einschränkung ihres Angebots und einem schleichenden Verlust der eigenen Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit.
Bislang war die zentrale Rolle der beruflichen Eignungsdiagnostik, aus einer Menge an Kandidat:innen die qualifiziertesten für eine Zielposition auszuwählen. Welchen Stellenwert hat diese Praxis jedoch in einer Zeit, in der es kaum oder gar keine qualifizierten Bewerber:innen für eine vakante Stelle mehr gibt?
Qualitativ hochwertige Eignungsdiagnostik bleibt auch in Zeiten des Fachkräftemangels relevant
Eignungsdiagnostiker:innen und Recruiter:innen dürfen erleichtert aufatmen: Gerade bei einer Zunahme des Fachkräftemangels ist eine qualitativ hochwertige Diagnostik relevanter denn je zuvor. Dieser Umstand lässt sich statistisch erklären. Zwei Effekte lassen sich als Folgen des Fachkräftemangels verorten:
- Ein Sinken der Basisrate: Die Quote geeigneter Bewerber:innen innerhalb aller Bewerber:innen für eine Vakanz sinkt.
- Ein Steigen der Selektionsquote: Die geringere Anzahl an Bewerber:innen sorgt dafür, dass Unternehmen gezwungen sind, einen größeren Anteil an Bewerber:innen auszuwählen.
Zusammengefasst bedeutet das: Aus der Gruppe an Bewerber:innen mit einem geringen Anteil geeigneter Bewerber:innen müssen verhältnismäßig viele Kandidat:innen ausgewählt werden. Die Kombination einer niedrigen Basisrate und einer hohen Selektionsquote erhöht somit das Risiko, mehr schlechte Auswahlentscheidungen zu treffen.
Welche Ansätze haben Unternehmen und Eignungsdiagnostiker:innen, um diesem Risiko zu begegnen?
- Steigerung der Basisrate: Unternehmen können die Quote geeigneter Bewerber:innen gezielt steigern, z.B. durch gezielte Employer Branding Maßnahmen.
- Steigerung der Qualität der Auswahl: Der gezielte Einsatz valider und qualitativ hochwertiger Auswahlverfahren (z.B. strukturierte Interviews und Assessment Center) erhöht die Chance, die geeigneten Kandidat:innen unter den Bewerber:innen zu identifizieren. Das heißt auch bei einer niedrigen Basisrate und hohen Selektionsquote kann durch den Einsatz valider Auswahlinstrumente eine hohe Erfolgsquote sichergestellt werden.
Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels gewinnen eine qualitativ hochwertige Eignungsdiagnostik und der gezielte Einsatz von Maßnahmen des Employer Brandings demnach zunehmend an Relevanz.
Die Attraktivität eignungsdiagnostischer Verfahren und Prozesse wird neben ihrer Qualität wichtiger
Ein in der Personalauswahl heiß diskutierter Begriff im Zuge des Fachkräftemangels ist der des Bewerber:innenmarktes. Dieser beschreibt eine Machtverschiebung innerhalb des Bewerbungs- und Auswahlprozesses zwischen Unternehmen und Kandidat:innen: Waren es früher die Bewerber:innen, die sich für eine Anstellung engagieren mussten, sind es zunehmend die Unternehmen, die sich der Frage stellen, wie sie attraktiv für Talente und qualifizierte Arbeitskräfte sein können.
Dies bedeutet, dass traditionelle diagnostische Verfahren anhand der Interessen potenzieller Talente kritisch hinterfragt werden müssen. Eine Analyse ihrer potenziellen Bedürfnisse von kununu (2016), Softgarden (2019) und Zaborowski (2018) identifizieren drei Schwerpunkte, die Kandidat:innen im Bewerbungsprozess hält:
- Schnelle und niedrigschwellige Bewerbungsprozesse
- Eine persönliche zwischenmenschliche Beziehung innerhalb des Bewerbungsprozesses, der sich durch eine angenehme Atmosphäre, sympathisches und professionelles Auftreten der Ansprechpartner:innen und Wertschätzung auszeichnet
- Transparenz, etwa hinsichtlich stellen- und unternehmensspezifischer Informationen und eines Einblickes in die Unternehmenskultur
Neben dem Ziel der Personalauswahl, aus einer Menge an Kandidat:innen die qualifiziertesten für eine Zielposition auszuwählen, gewinnen Effizienz, Menschenzentrierung und kulturelle Einblicke an Relevanz. Auswahlverfahren und Prozesse sind entsprechend so zu gestalten, dass sie den Kandidat:innen Lust auf das Zielunternehmen machen und das Unternehmen und seine Kultur attraktiv und umfassend abbilden.
Können Eignungsdiagnostiker:innen und Recruiter:innen beiden Ansprüchen – diagnostischer Qualität und Attraktivität – überhaupt gerecht werden?
Unsere Best Practices für eine qualitativ hochwertige und attraktive Eignungsdiagnostik
Der HRpepper Style in der Eignungsdiagnostik verbindet drei Gestaltungsaspekte, die in Kombination sowohl Qualität als auch Attraktivität in diagnostischen Verfahren gewährleisten:
- Evidenz & Qualität: Ein evidenzbasiertes und wissenschaftlich fundiertes Vorgehen bildet die Grundlage unseres eignungsdiagnostischen Ansatzes. Wir folgen dabei konsequent der DIN33430 und den Richtlinien des Forum Assessment Center e.V.
- Mensch & Kultur: Kulturelle Sensibilität und Anschlussfähigkeit sind für uns selbstverständlich. So gestalten wir Verfahren und deren Rahmen im kokreativen Ansatz gemeinsam mit unseren Klient:innen. Dieses Vorgehen ermöglicht es, spezifische kulturelle Akzente in der Ausgestaltung der Personalauswahl zu setzen und so in der Durchführung an Teilnehmende zu transportieren. Weiterhin liegt in unseren Verfahren der Fokus auf einer hohen Erlebnisorientierung für und Wertschätzung gegenüber den Teilnehmenden: So schaffen wir Raum für Austausch und Vernetzung und setzen auf einen hohen Gestaltungsgrad der Verfahrensbausteine. Unsere Verfahren sind bei Bedarf komplett remote durchführbar und schonen so die Ressourcen der Kandidat:innen und Unternehmen. Respekt vor der individuellen Biografie aller Teilnehmenden inklusive ihrer persönlichen Erfolge sind dabei selbstverständlich.
- Strategie & Zukunft: Unsere personaldiagnostischen Verfahren leisten einen Beitrag zur strategischen Ausrichtung und Transformation. So verstehen wir Personaldiagnostik als Intervention, durch die ein Lernmoment in der Organisation und bei Einzelnen angestoßen wird. Wir gehen dabei von einem ressourcenorientierten Lernbegriff aus: Alle Teilnehmenden können sich weiterentwickeln, wenn sie dafür selbst die Verantwortung übernehmen. Die Ergebnisse unserer Interventionen bilden so die Grundlage strategischer Personal- und Organisationsentwicklung. Weiterhin gestalten wir maßgeschneiderte Verfahren gemeinsam mit unseren Klient:innen – der organisationale Kontext und zukünftige Veränderungen kommen damit unmittelbar in dem Verfahren zu tragen.
Der Fachkräftemangel wird die Art und Weise, auf die Eignungsdiagnostiker:innen und Recruiter:innen Talente identifizieren, grundlegend verändern. Die Attraktivität der Verfahren und Prozesse wird auf dem Bewerber:innenmarkt zunehmend relevant werden. Dennoch gilt es, gerade im Fachkräftemangel, auch die diagnostische Qualität sicherzustellen. Der Pepper Style verbindet beide Gestaltungsansprüche und liefert somit eine mögliche Antwort auf die Frage nach der Relevanz von Eignungsdiagnostik in Zeiten des fortschreitenden Fachkräftemangels.
Autorin: Dr. Sarah Meeßen, Senior Consultant bei HRpepper
Über HRpepper:
Als Transformationsberatung gestaltet HRpepper Organisationen wirkungsvoll. Und das mit langjähriger Erfahrung, frischem Denken, wissenschaftlichen Erkenntnissen und innovativen Methoden. Dabei stehen Menschen, ihre Fähigkeiten und ihr Zusammenspiel als zentrale Erfolgsfaktoren im Mittelpunkt. Mit ihrem Handeln leisten sie einen Beitrag, Arbeitswelt(en) nachhaltiger zu gestalten.
Quelllinks:
https://www.hzaborowski.de/2018/01/17/was-bewerber-wollen-wie-waere-es-mit-mensch-sein/
https://de.softgarden.com/studien/
https://www.bernd-slaghuis.de/hr-recruiting/kununu-studie-bewerber-bewertungen/